Bestandsanalyse, Prognose und Handlungsempfehlungen zur Versorgung von psychisch kranken und seelisch behinderten Menschen im Land Sachsen-Anhalt unter Berücksichtigung demografischer und regionaler Entwicklungen

Bestandsanalyse, Prognose und Handlungsempfehlungen zur Versorgung von psychisch kranken und seelisch behinderten Menschen im Land Sachsen-Anhalt unter Berücksichtigung demografischer und regionaler Entwicklungen

Laufzeit: von 2017 bis 2018
Auftraggeber: Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt
Mitarbeitende: Schmid, Schu, Cannizzaro

Aufgabe

Die Bestandsanalyse soll die Hilfe- und Versorgungsstrukturen für Menschen mit psychischen Störungen und seelischen Behinderungen im Land systematisch abbilden und einen Rahmen zu deren Weiterentwicklung schaffen. Auf der Basis einer Prognose bis 2030 sollen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Die sehr breit angelegte Aufgabenstellung reichte über alle Lebensalter und Zielgruppen, umfasste Schnittstellen zu angrenzenden Versorgungsbereichen wie bspw. Jugendhilfe, Sucht- und Behindertenhilfe und fokussierte auf Querschnittsaspekte wie Teilhabe, Barrierefreiheit und Partizipation sowie auf Aufgabenwahrnehmung und Koordination in den kommunalen Gebietskörperschaften.

Das auf ein Jahr angelegte Vorhaben wurde von einem Begleitgremium aus Vertreter*innen des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration, der Versorgung sowie von Betroffenen und Angehörigen unterstützt.

Umsetzung

Im Mittelpunkt der Analyse standen Bestandsaufnahme und Bewertung von regiona­ler bzw. kommunaler Versorgungssituation. Die Untersuchung umfasste folgende Arbeits­schritte:

1.     Literatur-/Sekundäranalyse hinsichtlich bereits vorhandener Daten zu Versorgung und Umsetzung von Teilhabe, wissenschaftlicher Untersuchungen im Land Sachsen-Anhalt sowie Aussagen zur Entwicklung (Prognose); Vorab-Recherche bei den Kommunen, um einen Überblick über die vor Ort vorhandenen Angebote und Einrichtungen zu bekommen.  

2.     Schriftliche Befragung von Kommunen zu Planung und Steuerung sowie zu ihren Angeboten, zu Patientenrechten/Beschwerdewesen und Partizipation sowie zu ihren Einschätzungen zu Stärken, Schwächen und Entwicklungsbedarfen. Zeitgleich erfolgte eine schriftliche Befragung von Diensten und Einrichtungen zu ihrem Angebot und ihren Einschätzungen. Insgesamt beteiligten sich 142 Institutionen daran. Ein Online-Forum für Betroffene und Angehörige ergänzte die Erhebungen. 

3.     Zur Beteiligung der Expertise im Land wurden, neben vielen Gesprächen mit Fachleuten, im Sommer 2018 insgesamt zwölf Workshops mit rund 120 kommunalen Verteter*innen, Fachleuten sowie Betroffenen und Angehörigen durchgeführt. Dabei ging es um eine qualitative Vertiefung der Befragungsergebnisse und die Diskussion von Bedarfen und Handlungsempfehlungen.

4.     Schließlich wurden die Ergebnisse in einem umfangreichen Bericht zusammengefasst, der dem Ministerium im Dezember 2018 vorgelegt wurde.

Ergebnis

Die Bestandsanalyse zeigte, dass Sachsen-Anhalt derzeit sehr aktiv an einer Weiterentwicklung der Versorgung psychisch kranker Menschen arbeitet, die Bestandsanalyse erfolgte parallel zur Neufassung des Psychiatriegesetzes, viele Modellprogramme im Land fokussieren auf Verbesserungen für die Zielgruppe im Bereich Teilhabe. Grundsätzlich gilt, dass die adäquate Hilfe für Menschen mit komplexen Problemlagen und eingeschränkter Selbstregulation eine große Herausforderung und eine ebenso große ethische Verpflichtung ist. 

Deutlich wurde aber auch, dass die Situation im Land sehr heterogen ist, insbesondere erscheint die Versorgung ländlicher Gebiete (im Norden des Landes) schwierig. Einer vergleichsweise hohen stationären Kapazität stehen deutlich unterdurchschnittlich wenig Praxen für Psychiatrie/Psychotherapie und vor allem für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie gegenüber. Kommunale Verantwortung wird sehr unterschiedlich wahrgenommen, insgesamt fehlen vielfach kommunal getragene Angebote, darunter Krisenhilfen. Moderne Hilfeansätze wie Ambulante Psychiatrische Pflege und Soziotherapie sind ebenso ausbaufähig wie innovative Beschäftigungsangebote. Obgleich alkoholbezogene Suchtprobleme überdurchschnittlich ausgeprägt sind, muss das Suchthilfesystem mit sehr geringen Kapazitäten zurechtkommen. In der Analyse wurde eine Reihe von Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die häufiger auf ein Mehr an Koordination, Kooperation und Schnittstellengestaltung zielen als auf den Ausbau von Angeboten. Dabei sind vor allem den Kommunen Aufgaben der Daseinsfürsorge und der Koordination zuzuordnen, während beim Land rahmensetzende, Fachlichkeit fördernde und Impulse gebende Funktionen liegen – vielfach in Abstimmung mit Kommunen und Anbietern. 

Selbsthilfe und die Mitwirkung Betroffener an der Gestaltung der Versorgung (Trialog, Peer-Ansätze, EX-IN) sollten stärker unterstützt und ausgebaut werden, hier sind Initiativen der Förderung, auch finanziell, anzuraten, ebenso wie die Stärkung von Patient*innenrechten (Patientenverfügungen, Patient*innenfürsprecher, Beschwerdestellen). So wie nun im Psychiatrieausschuss auch regelhaft verankert, sollten Betroffene auch in weiteren Gremien und Planungsprozesse beteiligt werden.

Das Land hat die Ergebnisse der Bestandsaufnahme am 23.01.2019 in einer teil-öffentlichen Veranstaltung vorgestellt und wird nun die Umsetzung der Empfehlungen in Angriff nehmen. Einige Aspekte werden im neuen Psychiatriegesetz verankert. Für den Herbst 2019 ist eine landesweite Fachtagung geplant, in der weitere Umsetzungsschritte vorgestellt und andere beraten werden sollen.

Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt

Abschlussbericht Bestandsanalyse, Prognose und Handlungsempfehlungen zur Versorgung von psychisch kranken und seelisch behinderten Menschen im Land Sachsen-Anhalt unter Berücksichtigung demografischer und regionaler Entwicklungen im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt

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