Gesunde Arbeit Hamburg – Modellprojekt in der „Lebenswelt Betrieb“

Gesunde Arbeit Hamburg – Modellprojekt in der „Lebenswelt Betrieb“

Laufzeit: von 2017 bis 2021
Auftraggeber: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
Mitarbeitende: Schu, Kirvel

Aufgabe

Auf Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) entfallen mehr als ein Fünftel aller AU-Tage, besonders häufig geht es dabei um Rückenschmerzen. Diese Erkrankungen führen nicht selten zum frühen Eintritt in die (Erwerbsminderungs-)Rente (12,9 % aller Rentenzugänge 2014; DRV 2015). Deshalb scheinen insbesondere mit Blick auf die älter werdende Bevölkerung innovative Konzepte geboten, gerade in besonders belasteten Berufsgruppen.

Die BGW möchte mit diesem Projekt neue Wege gehen und im Sinne des Präventionsgesetzes eine sozialversicherungsträgerübergreifende Kooperation erproben. Die BGW kooperiert dazu mit der DRV und der DAK Gesundheit. Zwischen den Sozialversicherungsträgern soll ein verbindendes Case-/Reha-Management-Verfahren zur Prävention und Rehabilitation von Rückenerkrankungen pilotiert werden. Durch primärpräventive Maßnahmen am Arbeitsplatz soll der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz für alle Beschäftigten verbessert und so Arbeitsunfähigkeits-/Ausfallzeiten reduziert werden. Wartezeiten, z.B. durch Antragsverfahren zwischen den Maßnahmen unterschiedlicher Sozialversicherungsträger, sollen entfallen und Maßnahmen passgenau aufeinander abgestimmt werden.

Das Modellvorhaben für Hamburg wird von der zuständigen Senatorin der Freien und Hansestadt Hamburg unterstützt. Da Pflege ein besonders von MSE betroffenes Arbeitsfeld ist, wird das Modellvorhaben in diesem Bereich angesiedelt: Kooperationspartner sind das Asklepios-Krankenhaus Hamburg Wandsbek und die ASB Sozialeinrichtungen.

Umsetzung

Das Projekt sollte zunächst im Wesentlichen intern evaluiert werden, doch kamen im Verlauf auf FOGS mehr als die zunächst geplanten qualitativen Untersuchungen zu. Der Themenfokus lag auf Entwicklung und Bewertung von Schnittstellengestaltung und Kooperation der drei Leistungsträger, der Implementierung des Lotsenmodells sowie Veränderungen im Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement.

FOGS nahm an zentralen Sitzungen der Projektsteuerungsgruppe teil und beriet BGW und Projektsteuerungsgruppe zu Fragen institutioneller und allbezogener Vernetzung. Zu Beginn und Ende der Modell-Laufzeit wurden Interviews und Fokusgruppen mit allen beteiligten Akteursgruppen durchgeführt: den Sozialversicherungsträgern, den Praxisstandorten/Kooperationspartnern (Betriebsleitungen, Präventions- und Qualitätssicherungsbeauftragte, Betriebsräte/Beschäftigte) sowie mit Arbeitsmedizin und sicherheitstechnischer Begleitung der Betriebe. In der ersten Welle ging es darum, Basisdaten zu gewinnen, die zum einen Grundlagen einer genauen Zieldefinition bieten und zum anderen die Referenzgrößen für eine spätere Ergebnismessung darstellen. Die Abschlussgespräche fokussierten auf Veränderungen der Kooperation, eine Bewertung von Stärken und Schwächen und Weiterentwicklungsbedarfe. Zudem wirkte FOGS an der Erstellung, Durchführung und Auswertung der Beschäftigtenbefragung an den Praxisstandorten mit. Schließlich entwickelten wir ein Evaluationskonzept und eine Dokumentation für die Lotsenbetreuung, werteten diese aus und fassten alle Ergebnisse im Abschlussbericht zusammen.

Ergebnisse

Im Projekt Gesunde Arbeit Hamburg zeigten sich auf der Ebene der Sozialversicherungsträger die eingangs vermuteten Intransparenzen sowie mangelnde Kommunikation und Kooperation. Das Ausmaß dieser Probleme, die ganz unterschiedlichen Versständnisse von Kernbegriffen und -aufgaben und der Mangel an Vertrauen bekräftigte die Notwendigkeit des Projekts. Zugleich wurde deutlich, dass Präventions- und Rehabilitationsangebote weder bei Arbeitgebern und Beschäftigten noch bei den Verantwortlichen für Arbeitssicherheit und Betriebsmedizin (ausreichend) bekannt waren – das galt insbesondere für Angebote der Verhältnisprävention. Im Projektverlauf lernten die Sozialversicherungsträger viel voneinander, konnten Verständnis und Vertrauen entwickeln – eine Anpassung vorhandener Standardprozesse in Richtung eines kooperativen Handelns in den Organisationen gelang jedoch weniger. Auch mit Blick auf die Betriebe konnten zwar Kenntnisse erweitert werden – doch wurden die Möglichkeiten nur wenig in Anspruch genommen. Die Betriebe bewerteten die Standardangebote der Sozialversicherungsträger als wenig bedarfsgerecht, unflexibel und damit wenig attraktiv. So konnte die Betriebliche Gesundheitsförderung durch das Projekt nicht wirklich (weiter-)entwickelt werden, insb. im Bereich Verhältnisprävention. Dabei wäre eine Weiterentwicklung von Betrieblicher Gesundheitsförderung relevant, denn die Erhebungen verweisen auf deutliche Gesundheitsrisiken in den Betrieben.

Ein wesentlicher Zugewinn der Projektarbeit stellte der Lotsenprozess dar: Auch wenn dieser lediglich einen ersten Schritt in Richtung von Fall-/Reha-/Case Management darstellt und nur wenige Fälle eingeschlossen wurden, wurde hier doch ein Ansatz entwickelt, mit dem problematische Entwicklungen und Chronifizierung frühzeitig in den Blick genommen und passgenau – auch sozialversicherungsträgerübergreifend – Maßnahmen und Behandlungen abgestimmt und in die Wege geleitet werden konnten. Im Projektverlauf erwies sich die Möglichkeit einer direkten und unabhängigen Kontaktaufnahme zu Lotsenfällen – losgelöst von der Kontaktaufnahme über den jeweiligen Arbeitgeber – als erfolgsversprechend. Die so auf diesem Wege kontaktierten Personen reagierten überwiegend positiv auf die aktive Kommunikation und das Beratungsangebot; auch die für Vermittlungsprozesse notwendige Weitergabe von Daten stellte kein größeres Problem dar.

Die Evaluation hat abschließend eine Reihe von Empfehlungen zum weiteren Vorgehen zusammengetragen und im Abschlussbericht dargestellt. Dabei geht es um Beibehaltung und Ausbau von Transparenz über die Angebote – zwischen den Sozialversicherungsträgern als auch in die Betriebe, die Verstetigung und die inhaltliche Ausweitung des Lotsenprozesses – inkl. der Weiterentwicklung von Schnittstellen, Abstimmung und Regelprozessen in den Organisationen sowie mehr und innovative Formen der Unterstützung betrieblicher Gesundheitsförderung. Mehr dazu siehe im Abschlussbericht zum Projekt.