Evaluation Selbstvertretung von Werkstatträten in NRW (Partizipation und Selbstbeteiligung von behinderten Beschäftigten im arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis)

Evaluation Selbstvertretung von Werkstatträten in NRW (Partizipation und Selbstbeteiligung von behinderten Beschäftigten im arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis)

Laufzeit: von 2016 bis 2019
Auftraggeber: Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen e. V.
Mitarbeitende: Oliva, Hartmann, Cannizzaro

Aufgabe

Vor dem Hintergrund des Paradigmenwechsels in der Behindertenhilfe von fremdbestimmter Fürsorge hin zur selbstbestimmten Teilhabe beauftragte das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. die FOGS GmbH mit der Evaluation des Modellprojekts „Selbstvertretung von Werkstatträten in NRW“ (Partizipation und Selbstbeteiligung von behinderten Beschäftigten im arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis).

Grundlage des Modellprojekts bildete eine Bestandsaufnahme bei fünf ausgewählten Werkstatträten (s. unten). Für die beteiligten Werkstatträte bestand im Projektverlauf die Möglichkeit, sich intensiv mit einem für den jeweiligen Werkstattrat relevanten Thema oder Problem auseinanderzusetzen und es zu bearbeiten (bspw. Steigerung der Bekanntheit des Werkstattrats in der Werkstatt oder Teilnahme des Werkstattrats bei Bewerbungsgesprächen von Fachpersonal). Eine Projektkoordination stand den Werkstatträten während der Projektlaufzeit dabei unterstützend zur Seite.

Aus dem Modellprojekt sollte ein „Ratgeber für Werkstatträte“ entstehen, wobei durch die Werkstatträte eigene themenbezogene Kapitel (mit-)verfasst werden sollten. Die Ergebnisse der Evaluation sollten dabei ebenfalls in den Ratgeber einfließen.  

Umsetzung

Die von FOGS umgesetzte wissenschaftliche Begleitung des Modellprojekts verknüpfte formative und summative Evaluationselemente. So wurde zum einen evaluierend i. S. des Nachzeichnens der Projektumsetzung sowie der Wirkungsforschung vorgegangen und zum anderen eine handlungsorientierte Begleitung durchgeführt, die im Verlauf regelmäßig Zwischenergebnisse an alle Beteiligten rückmeldete und der Gestaltung des Prozessverlaufs diente. Zwischenergebnisse konnten so konstruktiv in das Projekt einfließen.

Die Evaluation fokussierte dabei die Sichtweisen von den Vorsitzenden und Stellvertretungen sowie weiteren Mitgliedern der Werkstatträte, der Vertrauenspersonen, (Vertreter*innen) der Geschäftsleitungen sowie Vertreter*innen der LAG WR NRW. Dazu führte FOGS leitfadengestützte Fokusgruppengespräche mit den verschiedenen Akteursgruppen. Die Gespräche wurden von FOGS protokolliert und anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet.

In den verschiedenen Phasen des Projekts erfolgten jeweils spezifische Arbeitsschritte. So diente die Initiierungsphase (1 – 3 Monate) der Kontaktaufnahme mit den beteiligten Akteuren sowie der Absprache von Arbeitsschritten und Instrumenten. Zudem wurden in dieser Phase die fünf Werkstatträte, die an dem Modellvorhaben teilnehmen durften, ausgewählt. Die Durchführungsphase (4 – 32 Monate) beinhaltete die mit den Fokusgruppen geführten Gespräche in den ausgewählten WfbM, wobei die Fokusgruppen an zwei Zeitpunkten der Durchführungsphase interviewt wurden, das erste Mal zu Beginn. Zum Ende der Durchführungsphase interviewte FOGS die Fokusgruppen erneut (bspw. zu Aufbau und Organisation des Werkstattrates, Aufgaben und Freistellung der Vertrauensperson, Mitwirkung und Mitbestimmung sowie zum Stand der Bearbeitung der jeweiligen Aufgaben innerhalb des Modellprojekts inkl. Erstellung von Kapiteln für den Ratgeber für Werkstatträte). Im Rahmen der Abschlussphase (33 – 36 Monate) erfolgte die Erstellung eines Abschlussberichts durch FOGS, der eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung einzelner Kapitel des Ratgebers für Werkstatträte darstellte.

Ergebnis

Zu den Untersuchungsergebnissen zählt u. a., dass allen fünf Werkstatträten eigene Büros bzw. Räumlichkeiten zur Erledigung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Genutzt werden können darüber hinaus eigene Laptops und personalisierte E-Mail-Adressen sowie Telefone (und/oder Diensthandys).

Die Freistellung des/der Vorsitzenden des Werkstattrates ist in den fünf beteiligten WfbM unterschiedlich geregelt: In drei Werkstätten ist der/die erste Vorsitzende des Werkstattrates zu 100 Prozent freigestellt, in einer WfbM liegt die Freistellung bei 75 % und in einer weiteren WfbM erfolgt die Freistellung bei Bedarf.

Damit die Mitglieder des Werkstattrats ihre Aufgaben zielführend umsetzen können, bedarf es häufig der Unterstützung und Hilfe durch eine Vertrauensperson. Die Freistellungspraxis der Vertrauenspersonen stellt sich in den fünf WfbM unterschiedlich dar: Die anteilige, zeitlich verbindliche Freistellung der Vertrauenspersonen liegt zwischen 25 % und 50 % oder erfolgt „bei Bedarf bzw. nach Absprache“. Wünschenswert wäre eine zeitlich verbindliche Freistellung der Vertrauenspersonen.

In den Gesprächen mit FOGS wiesen die Werkstatträte darauf hin, dass die Öffentlichkeitsarbeit verbessert werden sollte: Es besteht ein großes Interesse daran, die Arbeit des Werkstattrats bekannter zu machen und dadurch beispielsweise mehr Werkstattbeschäftigten die Möglichkeit zu geben, sich mit ihren Fragen, Problemen oder Ideen an den Werkstattrat zu wenden. Aus Sicht der befragten Werkstatträte stellen ein Informations-Faltblatt (bzw. Flyer) sowie eine eigene Internetseite mit aktuellen Informationen über den Werkstattrat wichtige Bausteine der Öffentlichkeitsarbeit dar.

Basierend auf den qualitativ ermittelten Ergebnissen der Evaluation können übergreifend Faktoren beschrieben werden, die positiv auf das Miteinander der beteiligten Akteure wirken:

  • Die/der Vorsitzende des Werkstattrats (WR) ist gemäß Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung (WMVO) freigestellt.
  • Der Werkstattrat kennt seine Rechte und Pflichten und die Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung (WMVO).
  • Werkstattrat und Geschäftsleitung haben einen festen und verbindlichen Sitzungsrhythmus vereinbart, die Akteure besprechen aktuelle Themen u. a.
  • Die Gespräche finden auf Augenhöhe statt.
  • Vor Durchführung einer Maßnahme wird der Werkstattrat rechtzeitig und umfassend von der Geschäftsleitung unterrichtet und die notwendigen Unterlagen werden zur Verfügung gestellt.

Nicht zuletzt haben die reformierte Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) bzw. die Diakonie-Werkstätten-Mitwirkungsverordnung und auch die Caritas Werkstätten-Mitwirkungsverordnung dazu beigetragen, die Form der Beteiligung von Werkstattbeschäftigten durch den Werkstattrat bzw. die Stellung des Werkstattrats in den Werkstätten zu stärken. Die Änderungen in der WMVO im Bereich der Mitwirkungs- bzw. Mitbestimmungsrechte stellen für den Werkstattrat einen wichtigen Schritt in Richtung Partizipation an Regelungen und Abläufen des betrieblichen Alltags in den Werkstätten dar, was die Arbeit der Werkstatträte in den nächsten Jahren weiter verändern wird.

Im Rahmen des Fachtags „Wie geht gute Werkstatt-Arbeit?“ im Juni 2019 wurde „Ein Ratgeber für Werkstatt-Räte“ vorgestellt. Der Ratgeber kann über die LAG WR NRW bezogen werden.