Laufzeit: September 2023 – Februar 2024
Auftraggeber: Stadt Leipzig, Gesundheitsamt
Mitarbeitende: Schu, Singfield, Görgen
Aufgabe
Die Ratsversammlung der Stadt Leipzig hat am 5. Juli 2023 eine Machbarkeitsstudie beschlossen, die den Bedarf für einen mobilen Drogenkonsumraum mit basismedizinischer Versorgung und Beratungsangebot sowie die Möglichkeiten seiner Umsetzung in Leipzig untersucht. Die Studie sollte dem Stadtrat bis Februar 2024 vorgelegt werden. Die Untersuchung sollte Hinweise zu Zielgruppen, konsumierten Substanzen, Konsumformen und Konsummustern geben und den Bedarf bzw. die potenzielle Inanspruchnahme durch Konsumierende untersuchen. Zudem sollte sie Empfehlungen zu notwendigen Kooperationen und Vereinbarungen mit anderen Angeboten (einschl. repressiver Behörden) aufzeigen. Auch hatte die Studie die möglichen lokalen Wirkungen (positive und negative) für Leipzig abzuschätzen.
Leipzig kann jedoch allein bzw. aus eigenem Entschluss keinen Drogenkonsumraum eröffnen: Die Einrichtung ist an das Vorhandensein einer Rechtsverordnung des Freistaates Sachsen für die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen nach § 10 a BtMG gebunden. Deshalb sollte die Untersuchung auch Kriterien aufzeigen, an die der Erlass einer solchen Verordnung gebunden ist.
Umsetzung
Die Untersuchung wurde in dem kurzen zur Verfügung stehenden Zeitraum in drei Arbeitsschritten umgesetzt: Zunächst recherchierte FOGS aktuelle Studien zu Drogenkonsumangeboten und wertete Daten zum Drogenkonsum in der Stadt Leipzig aus. Untersuchungsschritt zwei umfasste fragebogengestützte Interviews mit Drogenkonsumierenden in Leipzig. Dies erfolgte insbesondere über Szeneorte und niedrigschwellige Drogenhilfeangebote. Wir danken für die große mit Unterstützung der Fachkräfte vor Ort, die das Vorhaben in einer Arbeitsgruppe unterstützten, Räumlichkeiten bereitstellten und den Zugang zu Drogenkonsumierende bahnten. So konnten 101 Interviews realisiert werden. In den Interviews ging es um konsumierte Substanzen und Applikationsformen, Konsumorte, -häufigkeit und -dauer, um Einschätzungen zum Bedarf eines mobilen Drogenkonsumangebots und zu dessen Angeboten sowie um die Bereitschaft, dieses Angebot zu nutzen – bzw. um Hinderungsgründe. In Arbeitsschritt drei wurden Gespräche mit kommunalen Stakeholdern und relevanten Akteuren auf Landesebene durchgeführt, um das Meinungsbild dieser Akteure einzuholen und Anforderungen einer Implementierung eines Konsummobils abzuleiten. Abschließend wurden die Ergebnisse zusammengetragen und in einem kurzen Bericht für die Stadt gebündelt.
Ergebnisse
Am 30. Januar 2024 konnte der Abschlussbericht wie geplant an die Stadt Leipzig verschickt werden. Die Recherchen im Rahmen der Studie zeigen, das Leipzig Schwerpunkt des Drogenkonsums in Sachsen ist, insbesondere bezüglich Methamphetamin- und Opioid-Konsum. Öffentlich sichtbarer Konsum und gebrauchte Konsumutensilien im öffentlichen Raum nehmen zu, weiterhin gibt es hohe (mindestens zeitweise) Obdachlosigkeit unter den Konsumierenden sowie Drogennot- und -todesfälle.
Kernstück der Untersuchung war eine Befragung von 101 Drogenkonsumierenden im November 2023. Die zwischen 23 und 65 Jahre alten Befragten (Durchschnitt: 39 Jahre) waren überwiegend männlich (81,1 % männlich; 14,9 % weiblich; 4 % divers). Nur weniger als ein Drittel der Befragten leben aktuell in einer eigenen Wohnung, während etwas mehr als die Hälfte auf Notschlafstellen/Übergangswohnen angewiesen und 8 % ganz ohne Wohnung sind. Durchschnittlich konsumiert jede*r Befragte 3 unterschiedliche Drogen. Fast alle Befragten konsumieren Crystal und/oder andere Amphetamine/Stimulanzien, drei Viertel konsumieren Opioide sowie je ein Fünftel (auch) Hypnotika/Sedativa, Kokain/Crack bzw. berichten über polytoxen Konsum. Der Konsum findet weit überwiegend im öffentlichen Raum statt, ob an abgeschiedenen Plätzen oder im Park oder auf der Straße, das gilt insbesondere für alle Befragten ohne eigene Wohnung. Über die Hälfte der Befragten (53 %) nutzt mindestens ab und an Konsumutensilien gemeinsam mit anderen. Fast 70 % der Befragten haben schon Drogennotfälle erlebt und über 40 % brauchten deshalb (medizinische) Hilfe. Das galt in gesteigertem Maß für intravenös Konsumierende (61,5 %). Fast alle der Befragten (95 %) erachten ein Drogenkonsumraum in Leipzig als (sehr) wichtig und 75 % würden das Angebot auch selbst nutzen.
Auch die befragten 21 Expert*innen befürworten überwiegend einen mobilen Drogenkonsumraum. Sie erhoffen sich davon eine Entlastung für den öffentlichen Raum, für Behörden und für die Drogenhilfe. Zudem sieht man Chancen, dass mit einem Drogenkonsumraum schlecht erreichbare Konsumierende an weiterführende Hilfen herangeführt sowie Drogennot- und todesfälle vermindert werden können. Einzelne Befragte befürchten jedoch, dass ein Drogenkonsumraum Drogenabhängigkeit verfestigen könnte. Und obgleich dies in Studien bisher nicht bestätigt werden konnte, haben einige Befragte Sorgen vor einer Sogwirkung und einem Anstieg von Kriminalität im Umfeld. Sehr schwierig erscheint es zudem, einen mit Blick auf das Legalitätsprinzip rechtssicheren Umgang rund um den Drogenkonsumraum zu entwickeln.
Die Studie schließt mit der dringenden Empfehlung, in Leipzig einen Drogenkonsumraum zu implementieren, zunächst mobil. Dafür wurden eine Reihe von Empfehlungen zusammengetragen, die Angebot, Ausstattung, Kooperation sowie Monitoring betreffen. Die Ergebnisse wurden am 26.02.2024 dem Fachausschuss Soziales, Gesundheit und Vielfalt vorgestellt. Im September 2024 wurden die Ergebnisse zudem beim Deutschen Suchtkongress präsentiert, siehe: