Untersuchung ambulant betreuter Wohngemeinschaften für schwerstmehrfachbehinderte Menschen mit Sinnesbehinderungen

Untersuchung ambulant betreuter Wohngemeinschaften für schwerstmehrfachbehinderte Menschen mit Sinnesbehinderungen

Laufzeit: von 2016 bis 2020
Auftraggeber: Förder- und Wohnstätten gGmbH Kettig (FWS)
Mitarbeitende: Oliva, Martin

Aufgabe

Anknüpfend an die in den letzten zehn Jahren stattgefundene Neuausrichtung der Behin­dertenhilfe nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ und vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention hat die Förder- und Wohnstätten gGmbH Kettig (FWS) als Alternative zum stationären Wohnen Wohngemeinschaften für sinnesbehinderte Menschen mit einem hohen Hilfe- und Unterstützungsbedarf initiiert. Die Bewohner*innen erhalten Unterstützungs-, Betreuungs- und Pflegeleistungen von professionellen Diensten, Angehörigen und/oder Ehrenamt­lichen. Für Alltagsbegleitung und Hauswirtschaft sind Präsenzkräfte als zentrale Bezugspersonen in der Wohngruppe „zu Gast“. Die Leistungselemente „Woh­nen“ und „Betreuung, Unterstützung und Pflege“ sind rechtlich und faktisch getrennt.

Das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Landesamt für Soziales, Jugend und Ver­sorgung, und die FWS in Kettig haben eine Vereinbarung nach § 17 LWTG geschlossen, um im Rahmen einer Er­probungsregelung eine fachliche Überprüfung durchzufüh­ren. Im Mittelpunkt der auf fünf Jahre angelegten Untersuchung steht die Frage, ob es möglich ist, schwerstmehrfach behinderte Menschen mit Sinnesbehinderungen in einer selbstorganisierten Wohnform adäquat zu betreuen. Untersucht werden soll u. a., ob die Wohngemeinschaften tatsächlich Autonomie sicherstellen, in welcher Qualität die Menschen betreut werden, welche Effekte die Finanzierungsform hat und wie sich das Auftragsverhältnis zwischen Mieter*innen und Dienstleister gestaltet.

Umsetzung

Nach einem einleitenden Workshop zur Untersuchung werden die Ausgangsbedingungen erfasst (Konzept, Rahmenbedingungen, Merkmale der Bewohner*innen, Grundlagen und Art der Zusammenarbeit, Dienstleistungen und Finanzierungsformen).

In der Folge werden zu drei Zeitpunkten Fokusgruppen mit Bewohner*innen durchgeführt sowie Interviews mit Ansprechpersonen des Trägers und von Betreuungs- und Pflegediensten. Die Ergebnisse werden 2018 in einem Zwischenbericht und 2010 in einem Abschlussbericht zusammenfassend dargestellt.

Ergebnisse

Aus Sicht der wissenschaftlichen Begleitung können – auf Basis der Erst- und Zweitbefragungen der Mieter*innen, teilnehmender Beobachtungen sowie der Auswertung der Fachliteratur – folgende Ergebnisse besonders hervorgehoben werden:

  • Die Mieter*innen können – gemeinsam mit ihren Angehörigen bzw. den rechtlichen Betreuer*innen – in allen relevanten Lebensbereichen wie z.B. Wohnen, Tagesgestaltung und soziale Beziehungen selbst über ihr Leben bestimmen.
  • Für die Mieter*innen, die aufgrund ihrer Beeinträchtigungen nur eingeschränkt selbstbestimmt bzw. selbstorganisiert agieren können, erfolgt nachweisbar eine Vertretung durch die Angehörigen bzw. durch die rechtlichen Betreuer*innen. In diesem Sinne steuern die Mieter*innen und deren Angehörige bzw. rechtliche Betreuer*innen insbesondere auch die Vergabe der zu erbringenden Betreuungs- und Pflegeleistungen.
  • Die Mieter*innen haben in beiden untersuchten Wohngemeinschaften sowohl personell als auch strukturell ausreichend Unterstützungsmöglichkeiten, um ein selbstbestimmtes Leben entlang ihrer persönlichen Vorstellungen und Wünsche zu führen.
  • Die Mieter*innen können – ausgehend von ihren individuellen Bedürfnissen, Wünschen und Anliegen – Selbstbestimmung auch alltagspraktisch realisieren. Zudem sind sie oder ihre Angehörigen bzw. rechtlichen Betreuer*innen in alle die Wohngemeinschaften betreffenden Entscheidungen unmittelbar eingebunden.